29.10.15

Porträt: Winona Ryder – Aufstieg und Fall einer Kinoelfe

Ende der 80er und zu Beginn der 90er Jahre führt im Kino kein Weg an ihr vorbei: Winona Ryder ist der vielleicht größte Filmstar der Welt und beherrscht das Kino einer ganzen Generation, prägt die „Generation X“ wie keine andere.
Männer wie Frauen, Junge wie Erwachsene, alle fühlen sich gleichermaßen von ihrer Leinwandaura angezogen, sind fasziniert von ihrer Weiblichkeit und doch kindlichen Ausstrahlung.

Ryder pfeift auf die Ratschläge ihrer Agenten und spielt, worauf auch immer sie Lust hat: kettenrauchende Taxifahrer, mordende Teenager, leicht bekleidete Vampir-Geliebte oder suizidale Borderlinerin – immer wieder brilliert sie mit Feingefühl und stillem Understatement.
Jeder männliche Hollywoodstar steht einmal an ihrer Seite, die größten Regisseure jener Jahre reißen sich um Ryder, den Weltstar. Man schreibt ihr etliche Rollen auf den Leib, und der Druck führt sie ein ums andere Mal an den Abgrund.
Quelle: DVD "Durchgeknallt" © Sony Pictures Home Entertainment
Biancas Blick

Für einen Filmfreak wie mich, der die 90er Jahre so hautnah miterlebt hat, ist es eine große Freude, über eines meiner großen Idole schreiben zu können. Ein Idol, das mit ausnahmslos jedem anderen Star seiner Zeit vor der Kamera stand. Einem Star, dessen Ruhm grenzenlos schien.
Und dabei auch zu hinterfragen, warum Winona Ryders nur wenige Jahre umfassende, aber um so stürmischere Karriere ein so abruptes Ende gefunden hat.

Am Anfang stehen Mythen

Schön sind immer wieder die Karrieren, die einen Anfang nehmen, der so mystisch wie (un)konventionell ist.
Büchernerd Winona Ryder, die mit Vorliebe Erstausgaben sammelt, wird am 29. Oktober 1971 in Minnesota geboren und niemand in ihrer Familie glaubte an eine große Schauspielkarriere.
Ryder hat drei Geschwister, von denen keines den Weg ins Showbusiness einschlägt.
Ihre Eltern, beide Schriftsteller, gehören der Hippiebewegung an und einer von Ryders Taufpaten soll der LSD-Guru Timothy Leary gewesen sein. Was für ein Auftakt!
Wie viele Künstlerbiographien weist auch die von Ryder ein Außenseiterdasein auf, weshalb sie nach dem Umzug der Familie nach Kalifornien zunächst auf eine Privatschule und dann auf die Schauspielschule des American Conservatory Theater geschickt wird.
Und ja, auch Ryder wird– wie sollte es anders sein – von einer Talentsucherin während einer Theateraufführung entdeckt als sie dreizehn ist und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Ein Jahr später beginnt Ryder, sich für Filmrollen zu bewerben.
Sie dreht ein Video, in dem sie einen Monolog aus „Franny und Zooey“ des von ihr sehr verehrten J.D. Salinger vorträgt.
Zwar entgeht ihr die angestrebte Rolle, doch ihr Talent fällt dem Autor und Regisseur David Seltzer auf, der sie 1986 neben Corey Haim und Charlie Sheen in LUCAS besetzt.

Die Indie-Queen der leisen Töne

Mit LUCAS gelingt Ryder ein bemerkenswertes Debüt und in den folgenden drei Jahren spielt sie in wegweisenden Indiefilmen der Endachtziger.
Bereits ein Jahr später folgt der unbekannte SQUARE DANCE, in dem sie an der Seite des damaligen Teenie-Idols Rob Lowe agiert. Der endgültige Druchbruch gelingt ihr 1988, ein Jahr, in dem sie gleich drei(!) Filme abliefert. Zunächst Tim Burtons Kultfilm BEETLEJUICE, dann den heute eher unbekannten DIE GENERATION VON 1969 und schließlich natürlich den so wichtigen HEATHERS.

Durch die Zusammenarbeit mit Tim Burton in BEETLEJUICE öffnen sich neue Türen für Ryder."Tim Burton hat mir meine Karriere ermöglicht", erklärt sie. "Wäre BEETLEJUICE nicht gewesen, hätte ich nie die Möglichkeit weiterer Vorsprechen gehabt. Okay, ich war schwarzhaarig und sehr blass. Aber dieser Film eröffnete mir die Chance, etwas anderes machen zu können.Er gab mir also meine Karriere!"
Zwar gilt Burton damals noch als relativ unbekannter, aber doch bereits innovativer Regisseur, der das Kino und die Sehgewohnheiten der Zuschauer neu erfinden wird und der, neben seinem Megablockbuster BATMAN, mit Ryder (und im folgenden Projekt mit Johnny Depp) gleich zwei seiner Musen in seiner frühen Karriere gefunden hat.
Quelle: DVD "Beetlejuice" © Warner Home Video
Ryder zeichnet sich in all ihren Filmen durch eine ausdrucksstarke, aber stets ruhige und sphärische Darstellung aus. Sie ist eine aufbegehrende Jugendliche, die ihren Rollen ein Understatement verleiht, in dem sich die breite Masse der Jugendlichen der Achtziger wiederfindet.
Sie ist nicht, wie gleichaltrige Darstellerinnen der heutigen Zeit, auf eine offensive und präsente Körperlichkeit angewiesen. Dass sie diesen Wechsel Ende der 90er nicht vollziehen kann, wird ihrer Schauspielkarriere später auch das Genick brechen.
Trotz ihrer Zartheit und Verletzlichkeit – Kritiker vergleichen sie immer wieder mit einem scheuen Reh agiert sie mit einer unheimlichen Präsenz, die in jenen Jahren auf der Leinwand tatsächlich selten zu finden ist.
Sie ist intellektuell, schön und stilvoll – perfekte Grundlagen für eine große und, ja, einzigartige Karriere.

Ich mach, was ich will!

HEATHERS, verfilmt nach der gleichnamigen Buchvorlage, in dem sie an der Seite von Christian Slater eine anarchische Teenagerin spielt, ist ein großer finanzieller Misserfolg.
Ryder setzt sich mit dieser Rollenwahl gegen ihren Agenten durch, der ihr von dieser ambivalenten, moralisch fragwürdigen Rolle abrät und spielt Veronica Sawyer mit einzigartigem Verve.
Die bitterböse Satire zum Cliquentum an Highschools und dem Abfeiern der eigenen Individualität ist trotz des Versagens an den Kinokassen jener Jahre ein bis heute währender Klassiker und ein Video-Geheimtipp für die Jugend der damaligen Zeit.
J.D. und Veronica werden verehrt und oft zitiert, läuten sogar die mentale Haltung der aufkeimenden Grunge-Generation ein.
"Es ist ein brillantes Stück Literatur! Und ich nenne es Literatur, weil es solche ist. Ich halte es neben 'Der Fänger Im Roggen' für das beste Buch, das ich jemals gelesen habe!", erklärt Ryder noch Jahre später.
Quelle: DVD "Heathers" © Alive - Vertrieb und Marketing
Winona Ryder wird sich in ihrer Karriere noch oft gegen die Ratschläge ihrer Agenten durchsetzen, denn sie sieht in vielen „kritischen“ Rollen ein immenses Potenzial und oft soll sie Recht behalten!

Eine eben solche kritische Rolle übernimmt sie in GREAT BALLS OF FIRE, einem Biopic über den von Dennis Quaid gespielten Klavier-Rock n Roller Jerry Lee Lewis sie spielt Lewis' 14-jährige Cousine, die er heiratet, ein Skandal, der dem Musiker die Karriere beendet. Auch diesen rasanten Rollenwechsel, weg von der bösartigen Satire hin zu einer Kindfrau – eine Figur, die sie noch oft spielen wird – gelingt ihr mühelos.

Der weltweite Durchbruch

1990 agiert sie erneut in drei Filmen, in EIN MÄDCHEN NAMENS DINKY, MEERJUNGFRAUEN KÜSSEN BESSER und Tim Burtons wundervollem Märchenfilm EDWARD MIT DEN SCHRERENHÄNDEN.
Sie scheint auf die Rolle der nach Orientierung suchenden Heranwachsenden abonniert zu sein, denn in all diesen Streifen gibt sie eine Jugendliche, die sich mit den Wirren des Teenagerdaseins, der Selbstfindung und der ersten Liebe konfrontiert sieht.
Dass sie in MEERJUNGFRAUEN KÜSSEN BESSER neben Cher bestehen kann, ist außerordentlich, denn Cher dominiert die Leinwand und lässt Christina Ricci (in ihrem Leinwanddebüt) und Ryder kaum Luft zum Atmen.
Quelle: DVD "Night on Earth" © STUDIOCANAL
Der feinen Regie von Richard Benjamin ist es zu verdanken, dass alle drei weiblichen Protagonistinnen sich voll entfalten und hervorragend präsentieren können, und der Film ein kongeniales Ensemblestück wird.
Den Rollenzuschlag verdankt Ryder übrigens der Tatsache, dass sie Cher ähnlicher sieht als Emily Lloyd, die die Rolle eigentlich spielen soll und die nach der Besetzungsänderung eine dicke Abfindung kassiert.
Zwischen Cher und Winona Ryder entwickelt sich während der Dreharbeiten eine enge Freundschaft, etwas Seltenes, da Cher als äußerst schwierig gilt und Regisseure wie Lasse Hallström (der eigentlich bei diesem Film Regie führen sollte) in die Flucht schlägt.
Schon damals stellen Journalisten die Frage, warum sie immer Teenager spielt, worauf Ryder kontert: "Weil ich 19 bin. Was soll ich denn spielen? Richterinnen?".
Nein, sie ist in ihrem Rollenfach zur damaligen Zeit noch gut aufgehoben.

EDWARD MIT DEN SCHRENHÄNDEN beschert Ryder nicht nur eine wunderbare Rolle in einem der schönsten Weihnachtsfilme aller Zeiten und die Weiterentwicklung unter der Regie vom Tim Burton, sondern führt auch außerhalb der Leinwand zu einer der stürmischsten Hollywoodbeziehungen der 90er!
Kein Geringerer als Johnny Depp spielt den Außenseiter Edward, einen künstlichen Menschen mit einem echten Herzen, der sich Hals über Kopf in das Mädchen Kim verliebt.
Winona Ryder liebt den Film bis heute, einzig ihre blonde Perücke hasst sie immer wieder – wie wir alle.
Depp und Ryder beginnen eine private Beziehung, die damals ebenso „angesagt“ ist wie heute „Brangelina“ (Oder "Bennifer", wie JLo und Ben Affleck einst hießen). Kennenlernen tun sich die beiden aber bereits 1989 bei der Premiere von GREAT BALLS OF FIRE. Nach der vierjährigen Verlobungszeit und etlichen, in den Gazetten ausgetragenen Konflikten trennt sich das Hollywoodtraumpaar allerdings 1993.
Quelle: DVD "Edward mit den Scherenhänden" © Twentieth Century Fox
Ryder stürzt in eine tiefe Krise und beginnt, zu Alkohol und Tabletten zu greifen. "Es war eine dramatische Beziehung, einfach weil es meine erste war. Aber die Presse machte so viel mehr daraus." Dennoch bleibt sie stets professionell, wie Michael Ballhaus, Kameramann bei DRACULA, bemerkt. Selbst wenn sie morgens müde, verweint und depressiv zum Dreh erscheint, entfaltet sie, sobald die Kamera läuft, ihre gewohnte Ausdrucksstärke und ihr ganzes Können und absolviert den Drehtag mit Bravour.

Der Aufstieg

Jim Jarmusch dreht 1991 den Episodenfilm NIGHT ON EARTH und bietet Ryder die Rolle der Taxifahrerin Corky an. Ihr Agent zetert erneut, schließlich ist Corky eine kettenrauchende, schlampig anmutende Rotzgöre, fast zu klein um übers Lenkrad zu schauen und absolut gegen Ryders Image gebürstet, das er aufzubauen versucht. Natürlich nimmt Ryder die Rolle an und fügt ihrer Indie-Vita ein weiteres Highlight hinzu!

Doch nach dem Film folgt Ryders erster Zusammenbruch.

Ryder ist völlig überlastet. Als Francis Ford Coppola ihr die Rolle der Mary Corleone in DER PATE III anbietet, nimmt sie sofort an.
Doch Ryder dreht in den folgenden zwei Jahren fünf Filme, absolviert zudem viele Pressetermine und Premieren, was zu einem körperlichen Zusammenbruch führt. "Mit 20 wurde mir eingeredet, dass ich pausenlos drehen müsse, um nicht vergessen zu werden." Der Druck beginnt sie zu übermannen, so dass sie die Notbremse ziehen muss und eine Zwangspause einlegt. Ryder sagt DER PATE III ab (auch, um EDWARD MIT DEN SCHERENHÄNDEN zu drehen).
Quelle: DVD "Great Balls of Fire" © Twentieth Century Fox
Coppola, bei den Vorbereitungen zu DER PATE III ohnehin von Stress und Unglück verfolgt (seine Wunsch-Darstellerin für die Mary wird kurz bevor man ihr das Angebot machen kann erschossen), ist erzürnt und erbost. Nach einigen Überlegungen nötigt er seine Tochter Sofia, kurzfristig einzuspringen, was weder ihr noch dem Film besonders gut tut.

Zwei Jahre später fällt Ryder ein Drehbuch in die Hand, das die Dracula-Mystik um eine Liebesgeschichte erweitert und sich dennoch, anders als alle anderen offiziellen Verfilmungen, stark an die Romanvorlage von Bram Stoker hält. Sie ist begeistert und ihr fällt sofort der richtige Regisseur ein: Francis Ford Coppola!
Sie lässt ihm das Drehbuch zukommen (was ihren Stellenwert und Hollywood-Einfluss in jener Zeit unterstreicht) und erbittet seine Mitwirkung.

Coppola erkennt das Potenzial des Stoffs und sagt zu. Ryder spielt die Doppelrolle der Mina/Elisabeta und erklimmt mit diesem Film und ihrer Rolle den Zenit ihrer Karriere.
BRAM STOKERS DRACULA wird einer der erfolgreichsten Filme des Jahres 1992 und katapultiert Ryder auch in die erste Blockbuster-Liga Hollywoods!
Was folgt, sind die "fetten Jahre" ihrer Karriere: Jetzt will ausnahmslos jeder mit Winona Ryder drehen!
Martin Scorsese inszeniert ZEIT DER UNSCHULD, in welchem Ryder elfengleich über die Leinwand schwebt. Sie erhält ihre erste Oscarnominierung als Beste Weibliche Nebenrolle. Mit ihrer Zartheit und doch wachem Geist füllt sie die Rolle der May Welland mit mehrschichtigen Emotionen und kann neben Daniel Day Lewis und Michelle Pfeiffer locker bestehen.
Quelle: DVD "Bram Stokers Dracula" © Sony Pictures Home Entertainment
Dann klopft Bille August an und will Ryder für seine Verfilmung von Isabel Allendes DAS GEISTERHAUS. Viele große Stars spielen mit: Meryl Streep, Jeremy Irons, Armin Müller-Stahl, Glenn Close, Antonio Banderas, Vanessa Redgrave und nun auch Winona Ryder. Und trotz anfänglicher oragnisatorischer Schwierigkeiten wird der Film ein Meisterwerk und finanziell äußerst erfolgreich. Winona Ryder spielt eine der Hauptrollen und wandelt sich in den Jahrzehnten der Handlung vom verliebten Teenager zur politisch engagierten jungen Frau.
Der Film, von Bernd Eichinger produziert, gewinnt das Filmband in Gold sowie den Bayerischen Filmpreis.

Ich bin frei!

Ryder kann nun spielen, was sie will. Sie weigert sich noch immer, sich einem Image unterzuordnen, was sie als Projektionsfläche fürs Publikum nur noch attraktiver macht. Sie ziert die Cover der edelsten Magazine, adelt jede Hollywoodparty und spielt, als gäbe es kein Morgen! Es gibt auf der Welt keinen Filmfan, der ihren Namen und ihr Gesicht nicht kennt.

Doch mit dem, was der Ruhm mit sich bringt, kann sie weniger umgehen. "Es ist schrecklich, eine Schauspielerin und dann auch noch berühmt zu sein. Die Menschen kommen einfach und tatschen dich an. Das ist gruselig, aber die Leute glauben, das Recht dazu zu haben, denn du bist ja öffentliches Eigentum."

DIE SIMPSONS adeln Ryders Popularität mit einer eigenen Figur!
Quelle: DVD "Meerjungfrauen küssen besser" © Twentieth Century Fox
Bis 1997 zeigt sie ein ungeheures Talent für gut ausgewählte Rollen: Ob als Vertreterin der Generation X in REALITY BITES (man munkelt, Ethan Hawke habe die Rolle nur angenommen, um ein Mal mit Ryder zu drehen!), Südstaaten-Emanze in BETTY UND IHRE SCHWESTERN (für die sie ihre zweite Oscarnominierung einheimst), sich suchende Studentin in EIN AMERIKANISCHER QUILT, Lady Anne in Al Pacinos (großartigem!) LOOKING FOR RICHARD, als wahnsinnige Abigail in HEXENJAGD (erneut an der Seite von Daniel Day Lewis) oder als überkandidelter Star in Woody Allens CELEBRITY– Winona Ryder ist auf allen Hochzeiten zu Hause, meistert Indie-Film ebenso mit Bravour wie Bockbuster.

Und plötzlich ist das goldene Händchen weg

Es ist heute wenig nachvollziehbar, warum ein so großes Talent in der Rollenwahl wie Winona Ryder plötzlich so oft danebenliegt.
Doch ALIEN 4 (den einige Fans als nichtexistent betrachten) soll sich als Gurke einiger talentierter Hollywoodnamen erweisen (Das Drehbuch stammt immerhin von Joss Whedon!). Ryder versucht hier vergeblich, ihr Rollenfach zu wechseln. Es ist ihre erste und einzige Actionrolle, der sie körperlich nicht standhalten kann. Ihre Präsenz ist weiterhin zu zart, zu ätherisch für einen derart groben (und noch dazu schlecht geschnittenen) Klopper.

Möglicherweise ahnt Ryder zu diesem Zeitpunkt bereits, dass sich ein Paradigmenwechsel in Hollywood anbahnt, der mehr „Powerfrauen" fordert und mit der „Kindfrau“ Ryder bald nichts mehr anfangen kann.
Zu ALIEN 4 sagt sie später: "Ich konnte nicht gegen Sigourney Weaver und all die Special Effects bestehen. Ich habe noch nicht einmal verstanden, was ich in dem Film eigentlich tun sollte. Sehe ich mir den Film heute an, merke ich, dass ich es nicht geschafft habe, ich sehe ein kleines Mädchen einfach nur hektisch herumlaufen." Da hat sie leider recht – uns ist auch nicht recht klar, was sie in dem Film tun sollte.
Quelle: DVD "Alien - Die Wiedergeburt" © Twentieth Century Fox

Es folgen die Flops LOST SOULS und ES BEGANN IM SEPTEMBER, eine der schlimmsten Schnulzen, die je das Leinwandlicht erblickten!
Ryders Stern befindet sich im freien Fall.

Der Paradigmenwechsel

Erstaunlicherweise ist es Ryder selbst, die ihre Nachfolgerin auf die Bühne hievt.
1999 produziert sie den Film DURCHGEKNALLT mit keiner Geringeren als Angelina Jolie an ihrer Seite. Zwar verkörpert Ryder die Hauptrolle der suizidalen Borderlinerin Susanna, doch niemand kommt in diesem Film an Jolie vorbei. Der hungrige, hochtalentierte Jungstar agiert mit einer einzigartigen Körperlichkeit und Präsenz und nimmt vollkommen zurecht den Oscar entgegen.
Winona Ryder liefert zwar einen gut gespielten und produzierten Film ab, unterschreibt aber mit diesem Erfolg ihren Abgesang.
Ausgerechnet Angelina Jolie zementiert den Erfolg einer neuen Generation von weiblichen Schauspielerinnen, die Ryder mit ihrer zerbrechlichen Aura an die Wand drücken: Mit TOMB RAIDER katapultert sie sich im Folgejahr an die Spitze der Hollywoodstars, wo sich bald weitere, körperlichere Stars wie Charlize Theron, Juliette Lewis oder Carrie Ann Moss um sie sammeln.
Physische Stars. Unangepasst. Skandalumwittert. Actionreich.
Kinoelfen will mit Anbruch des neuen Jahrtausends niemand mehr sehen.
Quelle: DVD "Durchgeknallt" © Sony Pictures Home Entertainment
Ryder hat den Absprung von diesem Image zwar versucht, scheitert aber.

Zwischen ihr und Jolie kracht es ohnehin gewaltig am Set. Jolie betreibt mit Leidenschaft ihr Method Acting, was bei Ryder zum Teil auf Unverständnis stößt. Auch Jolie versucht sich zu jener Zeit zu beweisen. "Ihr Begehren war es zu zeigen, dass sie mehr konnte, als nur schön sein. In jener Zeit waren wir komplett unterschiedliche Menschen", so Ryder Jahre später.

Der Abstieg

2002 wird Ryder wegen Ladendiebstahls festgenommen und verurteilt. Sie selbst beharrt auf der Aussage, es sei als Rollenvobereitung geplant gewesen.

Verträge werden gekündigt und Ryder gleitet ab.
Ihre große Zeit ist vorbei. Zwar spielt sie noch immer in zahlreichen Filmen, aber erfolgreich ist kaum einer von ihnen.


Mit MR. DEEDS und S1M0NE versucht sie zwar an alte Erfolge anzuknüpfen, aber die Filme sind als Gesamtwerk zu mittelmäßig und nicht konsequent genug inszeniert.

Sie macht zudem mit peinlichen Auftritten auf Premieren von sich reden, so gibt sie offenbar betrunken ein Interview zu ihrer (sehr kleinen) Rolle in BLACK SWAN.
Der Film, in dem sie eine von der Jugend überholte Ballettänzerin spielt, spiegelt ihre eigene Karriere wider wie kein zweiter. Die Dreharbeiten nagen an ihr und werfen sie in ihrer wiedererlangten Stabilität weit zurück. Und dennoch zeigt sie eine andere Freiheit, die Ryder sich inzwischen erarbeitet hat: "Früher hätte man mir sicher abgeraten, diesen Film zu drehen, da ich nur 5 Minuten zu sehen bin. Mit 42 nehme ich mir die Freiheit, solche Filme zu drehen."

Quelle: DVD "Black Swan" © Twentieth Century Fox
Anderenorts verlässt sie eine Pressekonferenz, als man sie auf ihr "Comeback" in DICKSTE FREUNDE anspricht mit den Worten: "Ich war doch niemals weg".
Sie wirkt unnahbar, verwundbar, mit der Öffentlichkeit überfordert.

Die Rückkehr?

Sie widmet sich kleineren Filmprojekten und dem Fernsehen.

So spielt sie in der hochgelobten Mini-Serie SHOW ME A HERO und in der neuen Mysterie-Serie STRANGER THINGS und hat einen überraschenden Auftritt in J.J. Abrams' STAR TREK. Mit STRANGER THINGS gelingt ihr in der Jahresmitte 2016 ein fulminantes Comeback! Die Serie um ein Mädchen mit übersinnlichen Fähigkeiten, das mit seinen Freunden gegen ein Monster kämpft avanciert zu einer der gefeiertsten Serien der letzten Jahre und löst einen Hype aus, den wohl niemand - am allerwenigsten Winona Ryder - erwartet hat. Staffel 2 ist bestellt und befindet sich gerade in der Vorbereitung.

Sie versucht, wie so viele ehemalige Stars der 80er, im Fernsehen Fuß zu fassen.

In HOMEFRONT das Script schrieb niemand Geringeres als Sylvester Stallone macht sie als Prostituierte an der Seite von James Franco auf sich aufmerksam. Die Kritiker loben ihr Spiel, der Film allerdings wird in der Luft zerfetzt und fällt gnadenlos durch.
Quelle: DVD "Homefront" © Univserum Film GmbH
Hochgelobt wird sie zuletzt im Film EXPERIMENTER, der gerade in Toronto seine Premiere feierte und in Deutschland mit Spannung erwartet wird.
Darin geht es um das umstrittende Milgram-Experiment, das in den 60er Jahren das Gehorsamsverhalten von Menschen untersucht, welches sie über moralische Werte zu stellen scheinen.

Ryder spielt Milgrams Ehefrau Sasha Menkin, die trotz aller Verteufelung und Anfeindung zu ihrem Mann und dessen fragwürdigem Experiment steht.

Winona Ryder ist und bleibt eine der faszinierendsten Frauen des modernen Kinos.
Sie hat es versäumt, sich der Zeit anzupassen und ist tief gefallen, versucht jedoch immer wieder, in den Tritt zu kommen. Damit wird sie zu einer äußert zwiegespaltenen Person. Der Ruhm und die Anforderungen der Öffentlichkeit haben sie am Ende ebenso zerbrochen wie ihre feinsinnige Aura. An letzterer hält sie bis heute fest, vielleicht weil sie nicht anders kann, doch in Zeiten von Jennifer Lawrence oder Scarlett Johannson wirkt diese Form des Spiels völlig veraltet. Außerdem ist fraglich, ob sie sich wirklich wohl fühlen würde, sollte sie tatsächlich noch einmal den ganz großen Ruhm finden.
"Experimenter" © Magnolia Pictures
Vielleicht bleibt sie uns in kleinen Independent-Produktionen erhalten, die auch den Beginn ihrer Karriere ausmachten, und vielleicht ist das tatsächlich die beste Lösung. Auch wenn sie gerade zugesagt hat, in der bald anstehenden Fortsetzung BEETLEJUICE 2 aufzutreten.
Wir hoffen in jedem Fall, noch viel von ihr zu sehen zu bekommen, denn trotz gewandelter Standards sind ihr Talent, ihre Spielfreude, ihre Leinwandpräsenz weiterhin äußerst unterhaltsam und wir wünschen ihr Stabilität und Rückhalt.

"Ich bin so glücklich wie nie zuvor", erklärt Winona Ryder selbst und spielt dann auf jenen berühmten Stummfilmstar an, der den Übergang zum Tonfilm nicht überstanden hat: "Ich bin nicht wie Gloria Swanson, die in ihrer abgeschirmten Villa sitzt und ihre alten Filme anschaut mit dieser total verrückten Zigarettenspitze. Nein, ich kann mich glücklich schätzen für all die Dinge, die ich erleben durfte."
Quelle: DVD "Zeit der Unschuld" © Sony Pictures Home Entertainment

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